Philosophy

Kant - Zum ewigen Frieden

   Zum ewigen Frieden

Im 18. Jahrhundert, im Anschluss an den europäischen Absolutismus, begannen Teile des Adels und des akademischen Bürgertums die gesellschaftlichen Zustände zu hinterfragen und kritisieren. Die Zustände maß man an dem, was man für ein Gebot des vernünftigen Denkens hielt. Der menschliche Verstand wurde zum Maßstab der Dinge gemacht. Freiheit statt Absolutismus, Gleichheit statt Ständeordnung, Erfahrung und wissenschaftliche Erkenntnis statt Vorurteil und Aberglauben, - so lauteten die neuen Ideen der Aufklärung, deren einflußreichster Vertreter, neben Voltaire, Rousseau, Leibniz u. a., Immanuel Kant war.

Wenn sich unsere gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsträger des 21. Jahrhunderts bei friedenspolitischen Fragen schon nicht den Rat der gegenwärtigen Philosophen einholen, könnten sie ja einmal auf einen Vertreter der Aufklärung zurückgreifen - Kants friedenspolitischer Entwurf besitzt erstaunliche Aktualität. Ein Rechtskonzept - statt moralischer Imperative. Als Kant seine Schrift " Zum ewigen Frieden" vorlegte, bemühte er sich, Grundsätze zu formulieren, nach denen der Frieden friedlich herbeizuführen wäre. Das Ergebnis ist kein moralischer Entwurf oder Appell, sondern eine Rechtslehre.

Er unterscheidet zwischen legal und illegal. Illegal sind demnach alle Kriege, die weder Verteidigungskriege sind, noch vom "Friedensbund" (das wäre die heutige UNO) genehmigt wurden. Nach Kant wäre die UNO, in der alle Staaten gleichberechtigt zusammen geschlossen sind, die einzige Organisation, durch die Frieden und Demokratie zu erreichen sei. Als Vorbedingung formuliert Kant Verbote: so etwa bi- oder multilaterale Verträge mit geheimen Vorbehalten, Kreditaufnahme zur Finanzierung des Krieges und stehenden Heeren; darüberhinaus ist es unzulässig, Staaten nur als Boden und nicht als sich selbst Gesetze gebende Gesellschaften von Menschen zu behandeln und das unbedingte Verbot der Einmischung in Verfassung und Regierung eines anderen Staates. Im einzelnen Staat fordert Kant den Zustand der "Rebublik".

Allein dem Volk -sozusagen per Volksabstimmung - obliegt die Entscheidung, "ob Krieg sein solle oder nicht". Da ein Krieg immer elementare persönliche Rechte berührt, kann die Entscheidung auf keinen Fall der Regierung und auch nicht den parlamentarischen Repräsentanten überlassen werden. Sie soll ausschließlich in der Hand der Bürger liegen, über die Gefährdung der eigenen Verfassung zu entscheiden, die durch eine Niederlage oder durch eine entfesselte Exekutive im eigenen Land bedroht ist (wie weit die rechtlichen Standards eines Landes bedroht sind, zeigen die "Notstandsgesetze der Bundesrepublik Deutschland", oder die derzeitigen Ausweitungen der exekutiven Kompetenzen im "patriots act" in den USA).

Weiterhin muss es ein Interventionsverbot in fremde Staaten geben, da sich kein autoritärer Staat "innere" Demokratisierung leisten könne, wenn er von außen ständiger Bedrohung ausgesetzt ist. Kant spricht sich gegen ein globales Rechtsetzungsystem oder Rechtsdurchsetzungsmonopol durch den Völkerbund aus, weil die Einzelstaaten in der Regel bereits über ein eigenes Rechtssystem verfügen, so unvollkommen es im Einzelfall auch sein mag. Es geht ihm also auch um eine Demokratisierung des vorhandenen Rechts und nicht um Transformation durch eine übergeordnete Instanz. Die Anmaßung der USA als Weltexekutive bedeutet im Kantschen Sinn Despotismus: in der existierenden Staatenwelt entwickelt sich die Weltexekutive zur "Universalmonarchie", die demokratisch nicht mehr kontrolliert werden kann und aufgrund ihrer Stärke zum Despotismus führt - auch wenn es sich um einen wohlmeinenden Hegemon handelt. Darüber hinaus kann die Weltexekutive nicht die Freiheitssicherung aller Individuen garantieren, denn zerfällt sie, entsteht ein Naturzustand, in dem alles Recht zerstört ist.

Für den Völkerbund spricht seine Realisierbarkeit; als Bund ohne Macht der auf Freiwilligkeit beruhte und jederzeit kündbar wäre. Verrechtlichung ist darüber hinaus auch eine Grundlage für politisches Handeln und gesellschaftliche Zustände: der Irakkrieg ist dabei nicht nur ein Bruch des Völkerrechts, sondern er verletzt auch auf der Ebene des Staatsrechts die Rechte der irakischen und amerikanischen Bürger - denn rechtlich betroffen sind in einer Kriegssituation alle mittelbar Beteiligten. Dazu fordert Kant ein Weltbürgerrecht, als Schutzrecht für jene Menschen, die im Konflikt gegen einen anderen Staat keine Zuflucht im eigenen Staat finden können; er gibt einen Maßstab an, der Nichtbürger vor kriminellen Bürgern und staatlichen Organen fremder Staaten an jedem Ort der Erde schützen soll (beispielsweise die Sklaverei, die überall auf der Erde als als Rechtsverletzung wahrgenommen wird). Heute bedeutete dies die weltweite Ausweitung des Asylrechts.

Fazit: Kant gelingt es, Frieden und Demokratie funktional zu verbinden. Im Fokus seiner Betrachtung sind immer auch schon die Unterprivilegierten. Verschiedenheit der sozialen und rechtlichen Verhältnisse weltweit und die Ungleichheit ihrer Entwicklung macht Kant zum Ausgangspunkt seines Friedensentwurfs.

Gegner lehnen Kants Entwurf als realitätsfernen Idealismus ab.  Gerade weil sie in seinem Entwurf eine ernstzunehmende Alternative sehen.

 

  • Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein
  • Entscheidung über Krieg soll ausschließlich in der Hand des Bürgers liegen.
  • Das Völkerrecht soll auf einen "Förderalism" freier Staaten gegründet sein
  • Alle Kriege sind illegal, die keine Verteidigungskriege sind oder die der "Friedensbund" (UNO) legitimiert hat.
  • Interventionsverbot in fremde Staaten.
  • Demokratisierung vorhandenen Rechts.
  • Das Weltbürgerrecht soll auf Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein
  • Weltbürgerrecht für die Menschen, die in ihrem Staatsrechtssystem keine Zuflucht finden können.

"Aufklärung" ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen.  
Sapere aude
! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!

Denkanstöße und Fragen
  • Welche Gründe wären für Demokratien denkbar, sich in Staatenkriegen anzugreifen.
  • Breitet sich Demokratie von selbst aus?
  • Es kann nur Frieden unter Menschen geben und nicht unter Staaten
  • "Unsre Anlagen können sich nur in maximaler und gesetzesgewaltgeschützter Freiheit voll entwickeln" (Kant)